Über Jahre gesammelte Enzyklopädien, Atlanten, Land- und Seekarten bilden die Grundlage für Sophie Dvořáks Auseinandersetzung mit den endlosen Versuchen der Menschheit, die Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen, zu ordnen und zu kategorisieren. Dabei bedient sie sich in ihrer Arbeit nicht nur genuin wissenschaftlicher Strategien wie eben des Sammelns und Ordnens, sondern konterkariert – etwa durch eine subjektive, absichtslose Selektion – den, durch wissensvermittelnde Systeme postulierten, vermeintlichen Anspruch auf Wahrhaftigkeit. Die in ihren Werken mitschwingende Faszination für – zuweilen fantastische – Welterklärungsmodelle und Ordnungssysteme stellt Dvořák in eine Tradition mit großen Dichtern und Denkern, wie Jorge Luis Borges, Michel Foucault und Deleuze/Guattari.
Dvořáks Arbeiten sind von einem Dazwischen geprägt, einem fluiden Zustand stetiger Veränderung und unablässiger, rhythmischer Bewegung. Doch die Atlanten und Karten dienen der Künstlerin nicht nur als Grundlage einer verdichteten Denk- und Recherchearbeit, sondern sind vor allem auch künstlerischer Werkstoff, den sie in poetisch-fragile Collagen oder reliefartige Gipsarbeiten verwandelt. Diese Arbeiten umspielt ein ambivalenter Zug zwischen der schwebenden Eleganz fluktuierender Formen und der Physikalität des Ausgangsmaterials.
Zwischen der Vorstellung von Landkarte und Landschaft führt uns Dvořák dialektisch vor Augen, dass jedes kartografische Unterfangen paradox und illusorisch ist, und dass in Zeiten eines obsessiven Bedürfnisses nach Ortsbestimmung, diesem Zustand der Unbestimmtheit die Sehnsucht nach Abenteuer, nach ungekannten, ja sogar utopischen Orten innewohnt.
Alexandra Hennig