Echo von Karte. Projektion von Welt.
Ein Gebiet so gross wie ein Kontinent. Wo steigen wir ein? Der schwarzen Linie folgend gerade aus, umkreisen wir kleinere Flächen. Breiten und Längengrade unbekannt. Wir kennen die Erde doch. Die Karten. Haben ein klares Bild. Wir in der Mitte. Der Mittelpunkt. Linien als Andeutung an eine vertraute Ordnung. An den Rändern beginnt es zu bröckeln. Wird der Raum verschränkt. Risse, Fragmente, die sich einer Richtung entziehen. Woran orientieren wir uns? Und was erzählen uns die Formen, die am Seitenrand Auskunft geben wollen? Die Legenden. Farben. Unterteilungen. Wir scannen die schwarze Fläche, die Linien und tauchen in die Leerstellen ein. Gleiten weiter eine Kurve entlang. Transparenzen. Schichten. Abdrücke. Wir biegen uns um den Globus, um den richtigen Abstand zu finden. Den Äquator um den Bauch gelegt, strecken wir den Kopf über den angedeuteten Pol. Ein schneeweisser Vermessungspunkt ist eingegossen. Um die kreisrunde Form eröffnet sich ein Relief aus Linien. Buchstaben. Perspektiven. Aufgefaltet im Raum. Die Erde ist ein Zylinder. Wir befinden uns in einem Zylinder. Die Landkarten, die wir mental gespeichert haben – wir krümmen uns in ihnen. Wie weit sind wir entfernt voneinander als Fläche? Der Schädel am Scheitel in zwei Hälften geteilt.Schiffe ziehen langsam hinter dem Ohr vorbei. Durch die Kopfhaut, die Kontinente und Weltmeere auf den Zylinder geworfen.
Buch auf Stapel – Buch auf – Blättern
Blättern – Halten – Schauen
S. blättert durch die Atlanten, sammelt die Projektionen. Scannt. Zeichnet nach. Schneidet aus. Belichtet. Druckt. Giesst nach. Lässt Räume entstehen. Keine bestimmbaren Orte. Gefundenes. Die Arbeit mit den Collagen wie auch mit den Gipsplatten sind Versuche vom mathematisch Konstruierten zurück zu etwas Topografischem zu gelangen. Auch in den Siebdrucken versucht sie, das Konstituierte wieder zu brechen. Die Flächen suggerieren Tiefe und bleiben doch unmittelbar abgegrenzt. Verwehren sich der Zuschreibung. Wie viel Information braucht es? Der Welt, die beim Blättern fragmentarisch vorüberzieht, setzt S. eine Gleichzeitigkeit gegenüber. Erfassbar auf einen Blick. Vermessen. Der Meeresgrund liegt noch im Dunkeln. Wie die Wellen brechen. Der Schall macht keinen Unterschied zwischen Riff und schwimmendem Getier. Kartografische Überlagerungen. Die Linien als Zeitzeugen im steten Wandel. Datenbasiert. Satellitenbilder. Raster. Ideen wie im Drohnenflug. Zurück und wieder vorwärts gespült. Jeder Strich ein Wischen. Schieben. Schwingen. Die Topografie wird zur eigenen Sprache, zum Code. Zwischendurch nähert sich S. im automatisierten Zeichnen an. Ein Kopfausruhen. Der Stift wird heller. Glitched. Ein tonaler Prozess. Wir lauschen dem Echo der Karten.
Cornelia Lein, 2022